Der indische Bundesstaat Arunachal Pradesh gehört mit zu den entlegensten und am wenigsten besuchten Regionen im Nordosten Indiens. Bis hierher ist die übliche hektische Betriebsamkeit des indischen Lebens noch nicht wirklich vorgedrungen. Hier leben überwiegend Berg- und Stammesvölker.

Als der Nordosten oder die "Seven Sisters" wird diese mit am wenigsten bekannte Region Indiens bezeichnet. Sie liegt abgeschieden zwischen Bhutan im Nordwesten, Tibet im Norden und Osten, Myanmar im Süden und Bangladesh im Südwesten. Nur durch einen ganz schmalen Landkorridor von knapp vierzig Kilometern Breite ist sie mit dem restlichen Indien verbunden. In den sieben Bundesstaaten Nordostindiens - Arunachal Pradesh, Nagaland, Manipur, Mizoram, Tripura und Meghalaya - leben gerade einmal 45 Mio. Menschen. Das siind weniger als vier Prozent der Gesamtbevölkerung Indiens

Davon leben allein 31 Mio. Menschen in den Tieflandgebieten rund um den Bramaputra in Assam. Dementsprechend dünner besiedelt sind die äußerst interessanten und von weit über 200 verschiedenen Ethnien bewohnten Bergregionen. Durch die Abgeschiedenheit haben sich die Stammesvölker in in einer bis heute viel von ihrer ursprünglichen Lebensweise, Ihren Sitten und Gebräuchen bis heute erhalten können.

Arunchal Pradesh - im Land der Berge in der Morgenröte

Das "Land der Berge in der Morgenröte" lautet die wörtliche Übersetzung von Arunachal Pradesh aus dem Sanskrit. Oft wird es auch als das "Land des Sonnenaufgangs" bezeichnet, denn hier geht die Sonne in Indien zu allererst auf. Die Region reicht von den Südhängen des Himalaya bis hinunter in das Bramaputra-Tiefland in Assam. Dementsprechend vielfältig sind die Landschaftsformen, die Vegetation und die Flora und Fauna.

Geographie - vom Bramaputra Tiefland bis zu den Eisriesen

Dieser Teil des Himalaya ist in Richtung Nordosten schon relativ niedrig, aber stark zerklüftet. Durch die vergleichsweise gemäßigten Temperaturen und ein zeitweise feuchtes Monsunklima hat sich eine überbordende suptropische immergrüne Vegetation entwickelt. Lediglich im äußersten Westen von Arunachal Prades, im Distrikt Tawang, erinnert die Landschaft und auch das kulturelle Leben eher an Tibet. Tatächlich wurde die Region Tawang bis Ende der 1940iger Jahre von Lhasa aus verwaltet. Hier in der Nähe des zweitgrößten Klosters der Welt, dem Galden Namgyal Lahtse Kloster, war die Geburtsstätte des 6. Dalai Lama.

Die landschaftliche Vielfalt in Arunachal Pradesh ist absolut beeindruckend. Während die Berge im westlichen Norden von Arunachal im sog. "Assam-Himalaya" scheinbar himmelhoch aufragen, fällt die Landschaft bis zur Südgrenze des Bundesstaates, die an Assam grenzt, bis zum Bramaputra-Tiefland auf 200 m.ü.M. ab. Eine solche Vielfalt auf relativ kleinen Raum ist nur selten zu finden und absolut begeisternd.

Eines der schönsten Himalaya-Panoramen in Indien bieten die drei höchsten Eisriesen Kangto mit 7.090 m, Chumo mit 6.890 m und Nyegi Kangsang mit 7.047 m. Alle drei stehen im Grenzgebiet von Tibet/China und Indien/Arunachal Pradesh. Die landschaftlich grandiosesten Ausblicke auf den Himalaya bieten sich auf der Fahrt von Itanagar nach Tawang auf dem 4.170 m hohen Sele La-Pass.

Demographie und die größten Städte

In Arunachal Pradesh leben auf einer Fläche von knapp 84.000 km² 1,4 Mio Menschen. Das sind gerade einmal 17 Einwohner pro Quadratkilometer (zum Vergleich Schweiz 200 und Deutschland 226). Damit ist es der Bundesstaat mit der geringsten Bevölkerungsdichte in ganz Indien. Der mit Abstand am wenigsten bevölkerte Distrikt in Arunachal Pradesh ist das Dibang Valley. Hier leben gerade einmal durchschnittlich 0,9 Einwohner pro Quadratkilometer.

Gerade einmal 27 Orte gibt es in Arunachal Pradesh, die aufgrund Ihrer Einwohnerzahl zu den Städten zählen. Von den knapp 1,4 Mio. Menschen leben jedoch nur etwas mehr wie 350.000  in den städtischen Gebieten. Mit Abstand die größte Stadt ist Itanagar mit ca. 60.000 Einwohnern. Danach folgen Naharlagun mit ca. 36.000, Pasighat ca. 24.000 und Along mit ungefähr 20.000 Einwohnern. Die wenigen größeren Städte sind auch nur durch wenige sehr einfache Verbindungsstraßen miteinander verbunden. 

Bevölkerung, Religion und Wirtschaft

Über 65 % der Einwohner von Arunachal Pradesh gehören zu den indigenen Volksstämmen, die sich selbst Adivasi nennen. Übersetzt aus der altindischen Sprache Sanskrit bedeutet das "erste Siedler" oder auch "ursprüngliche Bewohner". Tatsächlich sind die Adivasi die ersten Ureinwohner des indischen Subkontinents. Sie lebten als Waldbauern, Fischer, Hirtennomaden , Jäger und Sammler.

Erst zwischen 2.500 und 1.500 v. Chr. wanderten die kriegerischen Hirtenvölker aus Zentralasien nach Indien ein und führten in den folgenden Jahrhunderten das Kastensystem ein. Damit wollten sie sich die Vorherschaft sichern. Die Adivasi haben sich über die Jahrtausende mehr und mehr in die ländlichen Gebiete zurückgezogen, um auch weiterhin ihrer sehr naturverbundenen Lebensweise nachgehen zu können. Daran hält ein Großteil der Adivasi bis heute fest. Viele von Ihnen leben sogar noch abgelegener im Wald- und Bergland, dem sog. "Stammesgürtel", der von Gujarat im Westen bis nach Nordostindien reicht.

Heutzutage gilt das Kastensystem in Indien offiziell als abgeschafft. Die indische Bevölkerung wird inzwischen in drei Gruppen eingeteilt, die sog. "general population", die "scheduled castes" (sie wurden früher auch abschätzig die "Unberührbaren" genannt) und die "scheduled tribes". Letztere sind die anerkannten Stammesgemeinschaften mit indienweit gut einer Million Menschen. Sie haben gemäß der indischen Verfassung besondere Rechte. In Arunachal Pradesh sind das 104 Stammesgruppen und ca. 65 % der Bevölkerung, von denen sehr viele sehr unterschiedliche Lebensweisen und kulturelle Traditionen pflegen.

Auch die Religionszugehörigkeit ist in Arunachal Pradesh stark abweichend vom restlichen Indien. Die am stärksten vertretene Religion ist mit 30 % das Christentum, gefolgt von 29 % Hindus, 12 % Buddhisten und 2 % Muslime. Verbleiben 27 %, die zu den "übrigen Religionen" gezählt werden. Dazu gehört ein Großteil der indigenen Stammesvölker, die bis heute ihren ursprünglichen animistischen Glauben pflegen. Dazu gehören z.B. die Adis, Akas, Aöathani, Bangnis, Nishings, Mishmis, Jijis, Thongsas. Sie verehren den Sonnen- und Mondgott.

Ein Großteil der Buddhisten gehören den Volksstämmen der Monpas und Sherdukpen an. Sie leben in den Distrikten Tawang und West Kameng und pflegen die Tradition des Mahayana-Buddhismus. Dieser Teil von Arunachal Pradesh gehörte in früheren Zeiten zu Tibet und werde erst durch die Neufestlegung der Grenzen zum Ende der britischen Kolonialzeit vertraglich Indien zugeschlagen. Auch entlang der langen Grenzlinie mit Tibet/China im Norden von Arunachal Pradesh leben noch viele Buddhisten. Im Distrikt Lohit ganz im Osten findet man dagegen beim Volk der Kamptis Buddhisten der Hnayana-Richtung. Wahrscheinlich sind sie vor Urzeiten aus Myanmar und Thailand eingewandert.

Die Landwirtschaft ist für die weitaus größte Anzahl der Stammesangehörgen die wichtigste Einnahmequelle. Sie sind versierte Bauern und sehr erfahren im Terrassenanbau. Es wird überwiegend Wechselwirtschaft betrieben. Neben Reis und Mais gehören Hirse, Weizen, Linsen, Zuckerrohr, Raps und Zitrusfrüchte zu den wichtigsten Anbauprodukten. Aber auch Pflaumen, Birmen, Äpfel und Pfirsiche werden angebaut. Der Volksstamm der Apathani hat sich auf den Anbau von Feuchtreis und Fischzucht spezialisiert. Auf den unter Wasser stehenden Reisfeldern werden gleichzeitig Fische gezüchtet. Mit jeder Reisernte gelingt es ihnen zwei Fischeernten einzubringen. Außerdem wird auch Waldwirtschaft und Bergbau betrieben, denn es gibt reiche Vorkommen an Bodenschätzen in der Region.

Flora, Fauna und der Naturschutz

In weiten Teilen ist die entlegene Region bis heute nicht für Fahrzeuge erschlossen. Der größte Reichtum von Arunachal Pradesh ist deshalb neben der großen Kultur- und Völkervielfalt die herrliche Natur mit großen unberührten tropischen und subtropischen Regen- und Nebelwälder. Hier ist noch viel Raum für die Natur in ihrer ganzen Vielfalt. Von den 84.000 km² der Gesamtfläche von Arunachal Pradesh stehen fast 10.000 km² unter Naturschutz. Zwei Nationalparks und elf Wildlife Sanctuarys bieten der Natur und der Tierwelt noch einmal besonderen Schutz. Das größte Schutzgebiet ist das Dibang Wildlife Sanctuary im hochen Nordosten des Landes mit über 4.000 km². Der bekannteste und interessanteste Nationalpark ist Namdapha im äußersten Südosten. Mit ca. 1.800 km² ist er der drittgrößte in ganz Indien und Rückzugsgebiet für viele bedrohte Tierarbeiten, wie dem bengalischen Tiger, Leoparden, Nebelparder, dem Roten Panda und sogar dem Schneeleoparden. Insgesamt über 1.400 Tierarten leben in Arunachal Pradesh - davon alleine über 500 Vogelarten.

Weit abseits der üblichen Touristenpfade werden die Nationalparks und Wildlife Sanctuarys, insbesondere auch der Namdapha Nationalpark in Arunachal Pradesh nur wenig besucht. Deshalb sind die Naturschutzgebiete größtenteils noch sehr viel ursprünglicher und weniger vom und für den Tourismus beeinflusst. Allerdings sind sie dadurch auch weniger erschlossen und nicht so gut zugänglich.

Auch die touristische Infrastruktur ist noch bei weitem nicht so vielfältig z.B. was die Unterkünfte und die Safari-Aktivitäten angeht. So gibt es z.B. im Namdapha Nationalpark nur sehr viel weniger Jeep-Pisten. Die dürfen auch nur auf ganz wenigen Strecken auf Jeep-Safari mit Touristen befahren werden. Hier ist man hauptsächlich zu Fuß oder mit dem Boot unterwegs, um die ursprüngliche Natur zu erkunden und mit allen Sinnen zu erleben. Dafür gehört der Namdapha Nationalpark aber auch zu einem der wenigen Nationalparks in Indien, in dem man noch innerhalb der Parkgrenzen übernachten darf und zwar im Deban Forest Resthouse. Außerdem darf mit einem Parkranger auf ausgewiesen Natur-Campingplätzen im mobilen Zeltcamp übernachtet werden. 

 

 

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